Books - Read and Enjoyed

Das Flüssige Land,

von Raphaela Edelbauer

Klett-Cotta 2019

Der Roman fasziniert und ist spannend bis zur letzten Seite. Schon sehr bald, noch ehe der Ort Groß-Einland gefunden wird, erscheint die Geschichte kafkaeskisch. Physikalische, ökonomische, psychologische und historische Unmöglichkeiten werden geschickt mit plausiblen, banalen und möglichen Details gemischt, dass ich als Leser bis zum Schluß nicht weiß, woran ich bin. Die Ich-Erzählerin, eine Physikerin mit der Theory der Zeit als Forschungsthema, wird in Groß-Einland in Ereignisse verstirckt, die die Geschichte des Ortes seit dem 17. Jahrhundert betrifft, aber auch ihre eigene Geschichte und die ihrer Eltern und Großeltern. Obwohl sie in diesem Ort nur ein paar Tage bleiben will um das Begräbnis ihrer plötzich verstorbenen Eltern zu organisieren, bleibt sie schließlich drei, oder sechs Jahre dort.

Vieles ist unklar und geheimnisvoll. Den Ort gibt es eigentlich gar nicht, er kann nur schwer gefunden werden, und er wird langsam von einem Loch verschlungen das durch jahrhundertelange Bergwerkstätigkeiten entstanden ist, wobei unklar ist, was dabei genau abgebaut wurde. Manchmal erscheint der Ort von der Größe eines Dorfes zu sein, dann wieder wieder eher eine Kleinstadt. Groß-Einland wird in feudaler Manier von einer Gräfin beherrscht, die aber vermutlich keine richtige Adelige ist, und gleichzeitig mutet es durchaus wie eine moderne österreichische Gemeinde mit Bürgermeister an. Vieles erscheint ausgesprochen geheimnisvoll, doch bleibt der Roman von Anfang bis Ende spannend, weil man als Leser meint, die Auflösung der Geheimnisse ist möglich und wird auch demnächst geboten.

Was mich aber so sehr an Prozess und Schloss erinnert ist die durchgängige Mehrdeutigkeit der Situation der Ich-Erzählerin. Ist sie die treibende Kraft, die die richtigen Fragen stellt und schrittweise die Antworten dazu findet? Oder ist sie ein Objekt das manipuliert wird? Oder wird sie unter Einfluss von Drogen von Wahnvorstellungen geplagt? Oder ist sie gar Opfer einer unintuitiven Zeitkonstellation in einem unintuitiven Universum?

Wie auch immer, das Buch ist faszinierend, die Geschichte ungewöhnlich, und das Lesevergnügen durchgehend.

(AJ April 2020)